Die Fahrt von Safaga nach Luxor dauert gute drei Stunden. Wir brechen früh um 7:30 auf. Unsere Reiseleiterin, Dina, ist in Deutschland aufgewachsen, lebt aber jetzt in Kairo und ist ein unermüdlicher Quell an Wissen. Von ihr erfahren wir, daß der ursprüngliche Name von Luxor Theben lautet. Damit ist der Ohrwurm für den Tag festgelegt:
„Denn Theben ist für Memphis, daß was Lausanne für Genf ist.“
Drei Stunden Fahrt im Bus erschienen mir zunächst lang, aber der Blick aus dem Fenster ist spannend. Wir verlassen Safaga ziemlich schnell und nehmen Kurs auf die Berge. Safaga selbst wirkt sehr leer, die Berge sehen grau aus.
Ich kenne Karst aus Kroatien. Diese Berge sind anders: es wächst absolut nichts auf ihnen. Das Grau stellt sich als Beige heraus. Einige Stellen erscheinen rötlich oder grün auch die Struktur der Felsen ändert sich ständig, mal sind es sanfte Linien, als handele es sich um einen erkalteten Lavastrom, mal bizarre Formationen, eckig und schräg… die Bergwüste, durch die wir fahren hat keinen besonderen Namen, man unterscheidet nur drei Arten von Wüste: Berg- Stein- und Sandwüste – bestimmte Namen gibt man ihnen nicht, die Steine sind aus unterschiedlichen Mineralien zusammengesetzt und dadurch haben sie verschiedene Farben und Formen.
Nach einer Stunde ändert sich die Landschaft: die Berge weichen zurück, bis sie ein heller Strich am Horizont sind und wir fahren durch Steinwüste, die sich schnell in Sandwüste verwandelt.
Ich denke an eine Bekannte, die in der Mongolei war und beschrieb, wie unendlich der Himmel dort wirke.
Nach einer weiteren Stunde sehen wir die ersten grünlichen Einsprengsel, die sich sehr schnell zu Büschen formieren und plötzlich fahren wir an einem schmalen Fluß entlang und die Landschaft ist grün und üppig: Palmenhaine, Zuckerrohrfelder, am Ufer Bougainvilleen, die in ihrer Üppigkeit in krassem Gegensatz zu den flachen Barracken am Flußufer stehen.
Manche dieser Barracken sehen aus, als hätten sie kein Dach, auf manchen ragen Grundpfeiler für ein zweites Stockwerk in die Höhe. Von einer Kollegin weiß ich, daß man in Ägypten Steuern zahlt, sobald eine Wohnung Fenster hat. Das erklärt, warum so viele im Bau befindliche Gebäude schon bewohnt erscheinen.
Alle paar Kilometer passieren wir Wachtürme, in denen Soldaten mit Maschinengewehren sitzen.
Auf den Feldern arbeiten die Bauern, alle in den traditionellen Abayas, langen, vorne offenen Gewändern. Sie sicheln das Zuckerrohr auf den Feldern und transportieren es auf Mulis oder Lastwagen. Mulis grasen zusammen mit Ziegen am Flußufer.
Von den Kolossen von Memmnon, unserem ersten Photostop ist es nur ein Katzensprung ins Tal der Könige.
Das Tal befindet sich zwischen lauter Bergen aus hellem, beigen Sandstein. Es ist 12:30, die Sonne brennt, der Himmel ist strahlend Blau.
Unserem batteriebetriebenen Bimmelbähnchen geht auf halber Strecke der Saft aus. Das bedeutet, daß wir ca. 50m zu Fuß gehen müssen.
Den Arbeitern, die am Bau der Gräber beteiligt waren, hatte man die Augen verbunden und ans Westufer des Nil gebracht, damit sie nicht berichten konnten, wo sie gearbeitet hatten. Wir dürfen gucken, aber nicht photographieren – d.h. im Tal ist das Photographieren erlaubt – in den Gräbern nicht.
Die Ausgrabungsarbeiten dauern an. Man ist sich sicher, noch nicht alle Gräber gefunden zu haben. Die Arbeiter, die wir ebenfalls nicht photographieren dürfen arbeiten mit Schaufeln und Eimern – es scheint sich wenig geändert zu haben in den letzten hundert Jahren? Andererseits beginnt man Ausgrabungsarbeiten wahrscheinlich auch nicht gerade mit einem Presslufthammer…
Unsere Eintrittskarte berechtigt uns zum Besuch von drei Gräbern. Dina gibt uns Tips, welches die drei interessantesten sind. Zwar befindet sich auch das Grab von Tut Ench Amun hier, aber er war ein vergleichsweise unbedeutender Pharao. Uns erscheint er nur so wichtig, weil seine Grabkammer und die darin enthaltenen Schätze so gut erhalten, bzW von Grabräubern unberührt waren. Also sparen wir uns sein Grab und besichtigen die Gräber von Ramses IV, Tutmosis III und Ramses IX (insgesamt gab es 19 Ramsese…).
Der Weg zum Grab von Tutmosis III führt über eine schmale, steile Eisentreppe in die Höhe. Man biegt um zwei Ecken (in denen reichlich Postkarten – Verkäufer lauern) und steht vor einer schmalen Holztreppe, die steil in eine erste Kammer hinabführt. Davor sitzt der Kartenkontrolleur und verteilt kleine Pappen.
Es ist stickig im Grab.
Und es wird stickiger je tiefer man gelangt.
Im Grab klettert man eine weitere steile sehr, sehr lange Holztreppe hinab, bis man in der Grabkammer ist. Spätestens jetzt braucht man die Pappen dringend zum Fächeln (wie praktisch, daß ich meinen Fächer ausgerechnet heute nicht dabei habe!). Ein Aufseher leuchtet mit seiner Taschenlampe in den Sarkopharg dessen Deckel eine etwa 4 cm schmale Lücke lässt, in den die Umrisse des Pharaos gemeißelt sind.
Wir klettern zurück nach oben und die mittagshitzige Luft erscheint uns kühl. Wir sind alle schweißgebadet.
Alle Gräber sind mit gemeißelten Hieroglyphen und Wandmalereien verziert. Obwohl viele der Malereien nicht vollständig erhalten sind, verleihen sie den Gräbern eine Pracht, die sich mit jeder Rokoko-Kirche messen kann.
In der einen Stunde, die wir Zeit haben, schaffen wir genau die drei empfohlenen Gräber. Ein wenig bedauere ich, daß wir weiter müssen, allerdings wartet das Mittagessen auf uns! Das Steigenberger in Luxor bietet einen spektakulären Blick auf den Nil – wir essen im „Nubischen Restaurant“ im zweiten Untergeschoß.
Nach dem Essen geht es zu unserem letzten Stop: dem Tempel von Karnak.
Ich habe Photos von allem gemacht – sie werden den Originalen nicht gerecht – es ist einfach zu beeindruckend! In der untergehenden Sonne bekommt alles einen warmen, orangen Schimmer und die Mauern strahlen die Hitze des Tages ab… während die letzten Strahlen der Sonne verblassen erschallt der Ruf des Muezzins… für uns das Zeichen zum Bus zurück zu kehren.
Auf unserer Rückfahrt ist von der Landschaft nichts mehr zu sehen, im Licht der gelben Straßenlaternen sehen wir, daß die meisten Häuser Stromanschluß haben: aus den Barracken scheint bläuliches Licht, das auf Leuchtstoffröhren oder Fernseher hinweist – vereinzelt sitzen Menschen vor Lagerfeuern am Ufer… schließlich nur noch Dunkel… ich kehre voller Bilder von Ägypten zurück.