Demographischer Wandel

Fällt es noch jemand anderem auf?

Noch vor ein paar Jahren konnte man sicher sein, wenn irgendwo ein Laden leer stand, zog kurze Zeit später ein Kinderbekleidungsgeschäft ein.
Ein paar Jahre später waren es Kinderläden, danach Friseure mit originellen Namen…  „Haareszeiten“, „Frau Tolle“…
Seit einiger Zeit beobachte ich das inflationäre Erscheinen von „Thai-Massage“-Salons und Beerdigungsinstituten…

Wenn das Auftauchen von Geschäften Rückschlüsse auf den Bedarf der Bevölkerung zulässt, was hat das dann zu bedeuten?
Nachdem alle ihre Kinder bekleidet und untergebracht haben, ist endlich Zeit, zum Friseur zu gehen… oder eben zur Thai-Massage… wir machen uns schön, entspannen und … sterben?

Ich hatte so gehofft, daß in meinem Leben noch mehr passiert… zum Beispiel etwas, daß die Eröffnung von Reisebüros für individuellen Urlaub, Champagnerbars oder  Juweliergeschäften rechtfertigt…

Geschenkt ist geschenkt

… wieder holen ist gestohlen.
Wer erinnert sich nicht an diesen Satz aus seiner Kindheit?

Joachim Ringelnatz schrieb ein Mal:

Schenke groß oder klein,
Aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten
Die Gaben wiegen,
Sei dein Gewissen rein.

Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei was in dir wohnt
An Meinung, Geschmack und Humor,
So daß die eigene Freude zuvor
Dich reichlich belohnt.

Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
Daß dein Geschenk
Du selber bist.

So habe ich es immer gehalten. Ich schenke Sachen, die ich selbst auch gerne hätte. Das hat den unschätzbaren Vorteil, daß man sie bei Nichtgefallen behalten darf und sich außerdem noch nicht einmal darüber ärgern muß, wenn der Beschenkte das Geschenk nicht mag.

Farbspiel

Neulich in der S-Bahn. Ich ergattere mit Ach und Krach einen Platz neben einem kleinen Mädchen. Mir gegenüber sitzt ihr Vater, der sehr jung aussieht. Er trägt eine lila Baseball Kappe, ein weißes T-Shirt mit lila Schrift und schwarze Hosen.

„Pappa“ kräht die Kleine fröhlich „Bei Dir ist alles lila!“
stolz holt der Vater seinen lila Rucksack hervor.
„Nur Deine Hose nicht.“ ergänzt sie.
„Lila passt zu fast allem.“ sagt er. „Man kann alle Farben mischen – nur schwarz und blau nicht. Das sieht komisch aus.“
Das Mädchen kichert fröhlich.

Und ich schaue betroffen auf meine blaue Barbour Jacke und meine schwarze Hose.

Hanseatisch

Nach einer Stunde auf dem Zaharztstuhl, in der so wundervolle Geräte wie „die flache Zange“, „der Luxator“, „der chirurgische Sauger“ und „der scharfe Löffel“ für die vollständige Entfernung eines Zahnes samt Wurzelbehandlung sorgten und ich genug Adrenalin für ein Leistungssportlerleben ausgeschüttet hatte, wankte ich zur U-Bahn.

Ich wollte nach Hause, ich wollte Suppe, ich wollte Ruhe.

Am U-Bahn Eingang stellt sich ein Mann zwischen mich und die einfahrende U-Bahn.
„Fährt die zum Hauptbahnhof ?“
„Nein.“ knirsche ich zwischen betäubter Lippe und blutigem Mull hindurch.
„Die auf der anderen Seite?“
„Ja!“ knirsche ich und eile um ihn herum zur rettenden Bahn.
„Vielen Dank! Sehr freundlich!“ brüllt er sarkastisch hinter mir her.

Lieber unbekannter Tourist! Daß ich Ihnen nicht meinen blutigen Mullballen ins Gesicht gespuckt habe, verdanken Sie lediglich der Tatsache, daß ich ihn noch brauchte, um ein wenig hineinzubluten.
Manchmal sind wir Hanseaten einfach nur deswegen einsilbig, weil wir nicht anders können.

Persona non grata

Eigentlich sollten seit dem 1.1.08 die Straßen voller fröstelnder Raucher sein, die sich vor der Kneipe oder dem Lokal ihrer Wahl schnell eine Zigarette gönnen.
Eine wunderbare Umkehrung dieser Situation durfte ich heute im „Big Easy“ in der Osterstraße erleben:

während andere konsequent ihr ganzes Lokal zum Nichtraucherbereich erklären, nimmt man im „Big Easy“ die krasse Teilung vor: im ersten Stock, dort wo die gemütlichen Clubsessel stehen und die Kamin-DVD Behaglichkeit verbreitet, sitzen die Raucher.

Das erkennt man schon an der blauen Nebelwand, die auf der Mitte der Treppe hängt.
Nichtraucher dürfen im unteren Bereich sitzen, da – so klärt uns die Kellnerin auf – der Eingangsbereich rauchfrei sein müsste.

Dieselbe Kellnerin behauptet auch, der Krabbensalat, den sie vor mich hinstellt, sei ein Fleischsalat, weil der ihr so von der Küche gegeben worden sei… als wir dies zu bezweifeln wagen, gesteht sie, sie wüsste nicht, wie Fleischsalat überhaupt aussähe… auf unsere Bemerkung, es sei recht frisch, erklärt sie uns erst, der Koch müsse ständig durch die Eingangstür, später, als wir sie fragen, ob es möglich sei, die Heizung etwas höher zu stellen, die Heizung sei kaputt.

Die Nebelschwaden aus dem ersten Stock verteilen sich langsam auch in der unteren Etage und so stolpern wir nach 3 Stunden genau so nach Rauch stinkend, wie auch vor dem 1.1.08, dafür mit halb erfrorenen Füßen aus dem Lokal.

Während ich bis vor 5 Tagen keine Wahl hatte und mich überall vollqualmen lassen musste kann ich seit heute getrost sagen: ich gehe nur noch dahin, wo man rauchfrei sitzen kann: zum Beispiel ins „Café Uhrlaub„, wo ein entzückender Kellner froh darüber ist, endlich in guter Luft arbeiten zu dürfen, oder in die „Taverna Rhodos“ auf Sylt, wo man im Gegensatz zum Rest der Lokale in der Friedrichstraße zudem noch bereit war, 10 hungrige Künstler nach der Vorstellung mit Krankenhausmengen leckersten Essens zu versorgen!

Zeichen

Zu meinen alljährlichen Weihnachtsdekorationen gehört das Aufhängen eines Mistelzweiges über der Eingangstür.
Dort bleibt der Zweig hängen, bis er im darauffolgenden Jahr von seinem Nachfolger abgelöst wird.

In diesem Jahr nun verhält sich der Mistelzweig sehr eigenartig: vor einer Woche wollte ich meine Wohnung verlassen, öffnete die Tür und ZACK! im hohen Bogen flog mir ein Mistelblatt entgegen.

Heute stürzte sich gar der ganze Zweig auf mich.

Soll das heißen, er will raus, in die Natur? Oder soll ich einfach ein paar Mistelblätter dekorativ in meine Frisur arbeiten, in der Hoffnung, daß irgendein netter Mann sie entdeckt, „Mistletoe!“ ruft und mich küsst?

Ich erkenne manche Zeichen schon, wenn ich sie sehe – allein: sie zu deuten fällt mir schwer.

Apfel-Ärger

Seit etwas mehr als 2 Jahren bin ich glückliche Mutter eines i-books. Als „Das Baby“ in mein Leben trat, war es wie Babys sind: glänzend neu und einfach wunderbar!
Im Alter von etwas mehr als 2 begann vor eineinhalb Wochen eine psychologische Krise: es redete sich ein, es sei ein PC und verhielt sich plötzlich auch, wie ein solcher: plötzlich wurde der Bildschirm hässlich grau und ich wurde in 4 Sprachen aufgefordert, meinen Computer neu zu starten… dies geschah in unregelmäßigen Abständen, ohne erkennbares Muster.
Wenn dies nicht geschah, hängte es sich auf…ein Verhalten, daß es noch nie zu Tage gelegt hatte!

Verantwortungsvolle Mutter, die ich bin, brachte ich es zum Arzt. Zugegeben nicht zu dem, der ihm in meine Welt geholfen hatte, sondern einem, der sich mehr in meiner Nähe befindet.
Dort arbeitet der Herr Jovial, der sich vor allem dadurch auszeichnet, daß er zwar ungeheuer freundlich ist, Frauen aber erstmal nicht ernst nimmt. Meine mehrmaligen Beschreibungen des Baby – Zustandes ignorierte er und nach einstündigem Aufenthalt in seinen Räumen, in denen sich das Baby vorbildlich benahm und alles tat, was man von ihm wollte schickte er mich nach Hause, wo aus dem Vorzeige-Baby wieder die kleine Höllenbrut wurde…

Also wieder zu Herrn Jovial, der versprach, das Problem dem Doktor vorzustellen… bange 2 Tage Warten auf die Diagnose!

Dann das Erleichternde „Keine organischen Probleme feststellbar“. Dem Kind wurde quasi eine Gehirnwäsche verpasst, seitdem sei alles unauffällig. Zum Beweis schaltet Herr Jovial das Kind an und es tut endlich das, was eine Mutter von ihm erwarten würde: es zeigt seine hässliche Fratze, den sich verdunkelnden Bildschirms und die 4 sprachige Aufforderung!
Herr Jovial zieht ein so selten dämliches Gesicht, daß ich lachen möchte, wenn mir nicht zum Heulen wäre und endlich bequemt sich der Onkel Doktor persönlich, der, nach einer weiteren Stunde Probierens, auch nicht weiter kommt.
Also: ab in die Werkstatt zur intensiven Beobachtung (wegen seiner Bauart, es ist ein sogenanntes G4, macht man es nicht gerne auf. Man verlässt sich auf eingängige Diagnosen). 

Die eingängige Diagnose, die weitere 2 Tage dauert, kommt zu keinem Ergebnis.

Man empfiehlt mir, die Platine auswechseln zu lassen. Diese Operation würde in 90% der Fälle das Problem beheben und koste ca. 700,-€. Angesichts dieser Summe sei jedoch zu bedenken, ob man sich nicht gleich ein neues Baby zulege… so Herr Jovial.

Ich kenne Apfel-Kinder, die locker das schulpflichtige Alter erreicht haben, ohne daß man ihnen für viel Geld ein neues Herz hätte transplantieren müssen, einige Äpfelchen in meinem Bekanntenkreis gehen sogar schon zur weiterführenden Schule!
Ich gebe mein Baby nicht so schnell auf und werde es morgen zu dem  Laden bringen, wo es das Licht der Welt erblickte…vielleicht gibt es ja alternative Heilmethoden, die dem Kind helfen können?